Trennung: Warum nimmt sich Papa auf einmal so viel Zeit?
Sandra Frommhold, Mutter von drei Kindern ( zwei Mädchen 13, 2 Jahre und ein Junge 10 Jahre) möchte euch dieses Buch vorstellen:
Darum gehts: Eine berührende und authentische Erzählung über die Annäherung von Vater und Tochter nach der Trennung der Eltern.
Aus Sicht eines Mädchens erzählt, das eigentlich gar nicht versteht, warum sich Papa auf einmal so viel Zeit für sie nimmt. Ein Buch über die Chance einer Trennung, plötzlich zwei Zuhause zu haben. Absolut beeindruckend!
Naomis Eltern trennen sich. Im Guten! Naomi versteht trotzdem die Welt nicht mehr und findet alles sehr seltsam. Der Papa nimmt sich plötzlich so viel Zeit für Naomi, dass es ihr schon fast zuviel ist. Und er kocht, obwohl er doch immer so viel Arbeit hat und Mama deswegen immer traurig war. Außerhalb der Familie scheint Papa sich plötzlich viel mehr entwickeln zu können.
Naomi wundert sich und würde doch viel lieber ihre Freundin treffen, als dienstags zum Papa gehen zu müssen. Naomis Geschichte selbst spielt in Frankreich und legt damit eine Art Zauber über den realistischen Inhalt. Wenn sie im Bus durch die Stadt fahren oder mit einem Leihauto zu Papas Schwester aufs Land und zu dem Häusschen mit den schönen Fensterläden, fühlt sich man allein durch die Vorstellung schon nach Frankreich versetzt. Das Buch ist stilistisch wunderbar geschrieben, weil es mit wenigen Worten und Beschreibungen auskommt und Naomi einfach erzählen lässt.
Für Erwachsene, die selbst in Trennungsphasen stecken und sich mit der neuen Situation für ihre Kinder auseinander setzen müssen…
…. lässt dieses Buch viel Spielraum, um zwischen den Zeilen zu lesen und zu verstehen, was in den Eltern vorgehen kann, warum es nicht geklappt hat und wie die Protagonisten in dem Buch damit umgehen. Naomi als 12jährige ist dies natürlich nicht klar. Sie denkt klar wie ein Teenager an ihre Interessen und Bedürfnisse. Die Autorin hat sich hier so wunderbar in die Psyche eines 12jährigen Mädchens reinversetzt, dass es einfach absolut authentisch wirkt. Die Eltern von Naomi leben es vor, es kann auch ohne Schlammschlacht gehen, auch wenn traurige Gefühle dabei sind, Naomi wird nicht zum Machtinstrument missbraucht, wie es doch leider in der Realität immer wieder versucht wird.
Das Buch wird seinem Thema ganz klar gerecht, weil es ein Auszug aus dem Leben einer 12jährigen ist, es braucht keine langen Beschreibungen und Reflektionen. Es erzählt einfach.
Meine Tochter war verwundert darüber, warum Naomi so wenige Sachen direkt benennt und eben lieber Karten spielen möchte, als mit ihrem Vater im Schwimmbad Runden zu ziehen. Mein Sohn hat die Situation mit seinem Wissen über die Trennungserfahrungen seiner Freunde verglichen und immer wieder gesagt, das war dort ganz anders. Ich glaube, dass dieses Buch ganz viel Möglichkeiten lässt, sich mit seinem Kind zum Thema Trennung auseinander zu setzen. Es ist eine weitere Möglichkeit, Trennung als Chance begreifen zu können. Und da Kinder vermutlich nicht selbst auf diese abstrakte Möglichkeit kommen, braucht es die Unterstützung der Eltern.
Eine große Stärke des Buches ist die Sichtweise Naomis, die typisch für eine 12jährige dargestellt wird
Nicht vergessen darf man die tollen realistischen, aber auch humorvollen Bilder von Kiste-Illustrator Patrick Wirbeleit. Smadjas literarischer Stil und Wirbeleits klare Bilder harmonieren ganz toll miteinander. Ein wunderbares Buch, das sich sehr schnell wegliest, das Spannung erzeugt, selbst bei mir als Mutter, weil ich wissen will, kommen Mama und Papa am Ende vielleicht doch wieder zusammen? Aber das ist das Wunschdenken einer Mutter, die Realität, um die es geht, heißt klarkommen mit der Situation, ohne dass es für einen der Beteiligten schadhaft wird. Und so wie es im Buch benannt ist, scheint das Konzept sehr gut aufzugehen.
11 Tage mit Papa von Brigitte Smadja
Rowohlt 2017
140 Seiten
14,99 Euro
Zielgruppe: Kinder ab 12 Jahren