Sexueller Kindesmissbrauch: Kinder schützen, helfen und stärken
Jeder liest es in der Zeitung: Kinder werden entführt, missbraucht, ermordet. Manchmal liest man auch, dass ein Vater oder eine Mutter jahrelang ein eigenes Kind missbraucht.
Und stets denkt man: Wie kann man nur einem Kind so was antun? Wieso hat niemand was gemerkt? Man muss die Kinder beschützen, ihnen sagen, dass sie mit fremden Personen nicht mitgehen dürfen! „Gott sei Dank passiert so was in meiner Umgebung nicht“, ist oft der erste Gedanke!
Aus dem Inhalt:
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… Kindesmissbrauch – wo passiert das?
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… Warum erzählen Kinder nichts oder erst sehr spät davon?
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… Wie können Sie Ihr Kind beschützen?
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… Diese Grundsätze können jedem Kind helfen
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… Wie können Sie helfen, wenn es passiert ist?
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… Anlaufstellen für Rat und Hilfe
Kindesmissbrauch – wo passiert das?
Sexueller Kindesmissbrauch findet im vertrautesten Umfeld der Kinder statt; durch Väter, Mütter, Brüder, Cousins, Nachbarn, Freunde, Bekannte. Kinder werden oft von Personen missbraucht, in deren Obhut sie sind, denen sie vertrauen, die sie lieben. Vielen Menschen fällt es ganz einfach schwer zu glauben, dass so etwas Schreckliches wahr sein kann. Und wenn ein Kind etwas andeutet, sind Eltern oft entsetzt und wollen oder können es nicht glauben, weil es das Bild erschüttert, das sie von einem Nachbarn, Bekannten, Freund, Partner, Verwandten haben. Viele Menschen wissen nicht, was sie tun sollen, wenn sie davon erfahren. Den Kindern zu glauben bedeutet auch, die eigene Hilflosigkeit zu erleben – dass man die Kinder davor nicht schützen konnte.
Missbrauch gibt es in allen Gesellschaftsschichten. Der typische Täter ist weder ungepflegt noch asozial, und er vergreift sich nicht deshalb an einem Kind, weil es sich zufällig so ergibt. Nicht nur Mädchen werden missbraucht, sondern auch Jungen, vom Baby bis zum Teenager. Nicht nur Männer sind Täter, sondern auch Frauen. Und es passiert nicht nur einmal oder zweimal, sondern zieht sich oft über Jahre hin.
Warum erzählen Kinder nichts oder erst sehr spät davon?
Weil sie denken und weil der Täter/in es ihnen einredet, dass man ihnen nicht glauben wird. Dennoch versuchen sie es. Sie machen Andeutungen. Aber offen darüber sprechen wird kein Kind. Weil es Angst hat, sich schämt, sich schuldig fühlt. Weil das was geschah so schrecklich und eklig war und so weh getan hat. Selbst wenn bereits eindeutig feststeht, dass ein Missbrauch vorliegt, auch wenn es weiß, dass ihm geglaubt wird, können Kinder oft nicht darüber sprechen.
Aber nicht immer wird das Kind mit körperlicher Gewalt zum Mitmachen gezwungen. Oft, gerade dann, wenn es dem Täter vertraut und ihn liebt wird Erpressung eingesetzt:
Ich mach das nur mit dir, weil ich dich so lieb hab. Hast Du denn Papi/Mami/Opa/Onkel nicht auch so lieb?
Wenn du nicht machst, was ich will, nehm ich eben deine/n kleine/n Schwester/Bruder.
Wenn du Mutti/Papa was sagst, mag sie/er dich nicht mehr und du kommst ins Heim.“
Täter nutzen ganz bewusst die Tatsache aus, dass Kinder von Erwachsenen abhängig sind, dass sie leichtgläubig sind, dass es ihnen noch schwer fällt, Täuschungen und erfundene Geschichten zu erkennen. Ein Kind glaubt vieles einfach deshalb, weil ein Erwachsener es ihm sagt. Das Kind kann die Täuschung und Manipulation nicht durchschauen.
Wie können Sie Ihr Kind beschützen?
Das Wichtigste sind starke Eltern, die ihr Kind lieben und ihm glaubt; das Kind kann und darf ihr alles sagen, denn die Eltern haben stets ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte des Kindes und schieben es mit seinen Problemen nicht beiseite. Egal, was für Probleme das sein mögen.
Eine starke/r Mutter/Vater lehrt das Kind, die Leute mit offenen Augen zu sehen, seinen eigenen Gefühlen zu vertrauen, nein zu sagen, wenn es etwas nicht mag, und seine Ängste jemandem mitzuteilen, sich Hilfe zu holen.
Ein Kind, das sich selbst vertraut, spürt es als erstes, wenn jemand komisch ist, wenn es sich bei jemand unbehaglich fühlt. Ein Kind, das seiner Mutter vertraut, ihrer Stärke und Kompetenz und ihrer Fähigkeit zu helfen vertraut, sich bei ihr beschützt und gut aufgehoben fühlt, wird es ihr sagen, wenn etwas passiert ist.
Daher hilft alles, was Sie für sich selbst tun, um unabhängig und selbstbewusst zu sein und mit Schwierigkeiten und Problemen fertig zu werde, auch Ihrem Kind.
Das ist wichtiger, als ständig die Umgebung zu beobachten, ob da ein potenzieller Täter lauert, und dann dabei vielleicht nicht mehr zu bemerken, dass sich das Kind plötzlich anders verhält … oder sich sogar zu sagen, das sei ja klar, dass das Kind ängstlich ist und Kontakte verweigert, weil ja da draußen so viele böse Männer herumlaufen.
Diese Grundsätze können jedem Kind helfen
Dein Körper gehört dir! Wenn Berührungen für dich blöde oder komisch sind, dann darfst du „Nein“ sagen. Niemand hat das Recht, dich gegen deinen Willen anzufassen.
Trau deinem Gefühl! Wenn dir jemand schlechte Gefühle bereitet, dann darfst du dich wehren. Es gibt gute und schlechte Geheimnisse! Schlechte Geheimnisse werden dir aufgezwungen und sind eigentlich gar keine Geheimnisse. Du darfst sie ohne weiteres weitersagen und musst die angedrohten Folgen nicht fürchten!
Du darfst „Nein“ sagen! Erwachsene verlangen von Kindern manchmal etwas, was Kindern Angst macht, ihnen weh tut oder ganz komische Gefühle verursacht. Dann dürfen Kinder „Nein“ sagen und brauchen nicht zu tun, was man von ihnen erwartet.
Du darfst dir Hilfe holen! Manchmal ist es zu schwer, sich ganz alleine zu wehren. Dann dürfen sich Mädchen und Jungen Hilfe holen. Manchmal willst du deiner Mutter oder deinem Vater nicht alles sagen. Darum überleg dir: Welche anderen Kinder oder Erwachsene werden zu dir halten, wenn du Hilfe brauchst. Wende dich an sie und vertraue dich ihnen an.
Wie können Sie helfen, wenn es passiert ist?
Wie sollen oder können Sie mit Ihrem Kind über das Geschehene sprechen? Überlegen Sie sich, was Sie sich wünschen würden, wenn Sie selbst in der Situation des Kindes wären: Glauben, Einfühlungsvermögen, Verständnis, Trost, Unterstützung. Und genau das braucht Ihr Kind.
Glauben Sie dem Kind. Das die wichtigste Unterstützung!
Geben Sie dem Kind ausdrücklich und wiederholt die Erlaubnis, über das Erlebte zu sprechen. Ermutigen Sie es, aber überlassen Sie es ihm, was und wie viel es erzählen will und kann. Nehmen Sie sich Zeit, hören Sie genau zu. Aber bohren Sie nicht nach, wenn es nicht mehr erzählen will.
Bleiben Sie ruhig. Viele Kinder leiden darunter, dass sie ihren Eltern Kummer bereiten. Sie erzählen nicht weiter oder nehmen ihre Aussage zurück, wenn sie spüren, dass ihre Erzählungen Bestürzung, Angst, Panik auslösen.
Nehmen Sie die Gefühle des Kindes ernst, fühlen Sie mit, aber drängen Sie ihm nicht Ihre eigenen Gefühle auf.
Holen Sie sich selbst Hilfe. Für Sie ist diese Situation eine große Belastung. Aber Sie helfen Ihrem Kind nicht, wenn sie Ihre Wut, Ihren Schmerz, Ihren Kummer vor ihm ausschütten. Das Kind braucht von Ihnen Trost und Hilfe. Das brauchen Sie auch – sprechen Sie mit Menschen, bei denen Sie Ihre Wut und Ihren Schmerz äußern können. Das hilft Ihnen selbst und Sie können dann ruhiger mit Ihrem Kind sprechen.
Verharmlosen Sie nicht. Sagen Sie nicht: „Ach, es war ja nicht so schlimm, es ist ja vorbei.“ Es WAR schlimm!
Zeigen Sie ihrem Kind, dass sie es genauso lieb haben wie immer. Trösten Sie Ihr Kind. Machen Sie ihm keine Vorwürfe, weil es geschwiegen hat; sagen Sie ihm, dass Sie froh sind, dass es jetzt darüber spricht.
Sagen Sie ihm, dass es keine Schuld hat. Dass allein der Täter die Verantwortung an dem trägt, was geschehen ist. Dass nicht das Kind Unrecht getan hat und sich schämen muss, sondern der Täter.
Sorgen Sie dafür, dass das Kind nicht weiter missbraucht wird. Ganz egal, wer der Täter ist, ziehen sie Konsequenzen. Verlassen Sie sich nicht darauf, dass er/sie es doch hoffentlich nicht mehr tun wird.
Fragen Sie nach Drohungen des Täters. Beruhigen Sie das Kind, entkräften Sie diese Drohungen, um dem Kind die Angst zu nehmen.
Handeln Sie nicht über den Kopf des Kindes hinweg. Sagen Sie dem Kind, was sie tun werden, was weiter geschehen wird. Tun Sie nichts ohne dem Einverständnis des Kindes.
Übereilen Sie nichts. Falls Sie eine Anzeige in Erwägung ziehen, können Sie das auch noch nach Tagen oder Wochen tun. Sie haben Zeit, alles reiflich zu überlegen und sich danach zu richten, wie es Ihrer Tochter oder Ihrem Sohn geht
Holen Sie sich Hilfe bei zuständigen Stellen. Suchen Sie sich Rat und Unterstützung bei einer Beratungsstelle, bevor Sie handeln. Bei den jeweiligen Gleichstellungsstellen, Frauenbeauftragten und Jugendämtern der Stadt- oder Kreisverwaltung erfahren Sie, wo es in Ihrer Umgebung eine solche Beratungsstelle gibt. In einer Beratungsstelle finden Sie in Ihrer Situation Hilfe und Verständnis. Mit den Fachleuten können Sie abklären, welche Hilfe für Ihr Kind am geeignetsten ist.
Anlaufstellen für Rat und Hilfe
Bei Ihrer örtlichen Gleichstellungsstelle (oder auch: Frauenamt, Frauenbüro, Frauenbeauftragte, Gleichstellungsbeauftragte) oder Ihrem Jugendamt (oder auch: Allgemeiner Sozialer Dienst, Jugendschutz, Kinderschutz) können Sie die Adresse der nächstgelegenen, für Sie geeigneten Beratungsstelle erfahren. Beide finden Sie im Telefonbuch unter der Rubrik Stadtverwaltung oder Kreisverwaltung.
Beim Jugendamt bringen Sie nicht nur Adressen von Beratungsstellen in Erfahrung – oft kann Ihnen das Jugendamt auch selbst helfen. Sprechen Sie mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, auf Wunsch auch anonym. Vielerorts gibt es auch eine Erziehungsberatungsstelle.
Möglicherweise existiert in Ihrer oder der nächstgelegenen Stadt eine Beratungsstelle, die ganz speziell zum Problem des sexuellen Missbrauchs Unterstützung anbietet. Manche dieser Stellen betreuen nur Frauen und Mädchen, andere beziehen auch Jungen mit ein. Schauen Sie sich einfach im Telefonbuch unter folgenden Stichwörtern um:
Autoren: Betroffene, „NEIN!!! Gemeinsam gegen Kindesmissbrauch“