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by Maybe » 07.06.2010, 20:45
Hallo zusammen,
meine Ehe war schon lange keine Ehe mehr. Es hat niemand mitbekommen. Nach außen waren wir das ideale Ehepaar und mein Mann hat wohl gedacht, das ginge noch 100 Jahre so weiter. Ich war auch eine der Frauen, die den Karren ziehen bis es nicht mehr geht. Eben weil ich mir keine Vorwürfe machen wollte, habe ich gewartet, bis meine beiden Töchter aus dem Haus waren. Und bis meine Mutter, die begeistert von meinem Mann war, gestorben ist. Und dann kam alles auf einmal, ich hatte keine Ausrede mehr zu bleiben. Es war wie eine Lawine und jetzt sitze ich hier, eine kleine günstige Wohnung, kaum Möbel, ein guter Job und meine Ruhe. Guten Kontakt zu meinen Töchtern. Kein anderer Mann.
Einerseits fühle ich mich befreit. Ich kann meine eigenen Entscheidungen treffen und bin nicht mehr eingesperrt, muss keine Eifersuchtsszenen mehr ertragen und kann tun und lassen was ich will. Muss mich nicht mehr verstellen, verbiegen, stehe zu meiner eigenen Meinung und niemand fragt, wer hat dir das wieder eingeredet.
Andererseits: Ich mag meinen Mann noch, er hat mich nicht geschlagen, raucht und säuft nicht. Er machte teure Geschenke. Eine bequemere Frau wäre geblieben, die nächsten 30 Jahre vorm Fernseher und ruhiger Eintracht.
Aber ich hab irgendwann gedacht, ich ersticke. Das war nicht mehr mein Leben. Die Liebe, wenn es je eine war, hat sich einfach davongeschlichen und mir ist nichts mehr geblieben. Ich habe, weil ich nicht mehr so weiterleben wollte, alles kaputt gemacht. Ich habe meine Töchter verunsichert und meinem Mann nicht erklären können, weshalb ich gehe. Er versteht es nicht und hat jetzt Depressionen. Ich verstehe es auch nicht ganz. Meine Töchter sagen, es ist ok so. Er war die letzten Jahre kein toller Vater mehr. Immer aufbrausend und kleinlich.
Auf einmal habe ich das Gefühl, aufgewacht zu sein und alles war weg. Ich hatte keine Kraft mehr, den Karren weiterzuziehen. Immer hab ich alles erledigt, dafür gesorgt, dass die Mädels gut durch Schule und Ausbildung kommen, eine Wohnung finden, dass unsere Finanzen stimmen, dass wir mit den Nachbarn klar kommen, dass die Fnanzierung der Eigentumswohnung und des Autos klappt. Dass es trotzdem Urlaub gibt. Dazu kam, dass ich mich um meine Mutter und seinen Vater gekümmert habe. Als sein Vater starb und unsere ET-Wohnung versaut hat, hab ich alles in Ordnung gebracht. Als meine Mutter starb, hab ich das Erbe geregelt und mitbekommen, wie ich die ganzen letzten Jahre von ihr belogen worden bin. Mein Bruder hatte schon vorher abkassiert und sie hat so getan, als wäre alles geregelt. Ich hab immer alles geregelt und gemanagt und keine Hilfe gehabt. Je mehr ich getan habe, umso mehr hat sich mein Mann zurückgelehnt und über Kleinigkeiten gemeckert. Jammern auf hohem Niveau, nennt man das heute.
Ich war so leer und müde.
Es geht mir heute etwas besser, über ein halbes Jahr nach der endgültigen Trennung. Aber ich kriege den Rest nicht geregelt. Ich kann meinem Mann nicht anrufen, weil ich weiß, dass er mir Leid tut und mich dann wieder totquasselt und ich Zugeständnisse mache, die ich gar nicht machen will.
Trotzdem denke ich, dass es richtig war, den Schritt zu tun. Ich fahre abends oder am WE spazieren, mit dem Rad, mit dem Zug oder Bus. Ich sehe, wie schön und einfach Dinge sein können und bin oft glücklich. Jeder neue Tag zeigt mir, dass ich lebe.
In Würde und Frieden leben, das ist das Mindeste, was ich erwarte. Und das schafft Frau auch allein.
Ich hoffe, niemand gibt auf, das anzustreben, nur weil der Weg nicht leicht ist.
Gruß
Maybe